Werde Teil des Abenteuers

  • Jesaja 61,1-4
  • Lukas 4,1-30; 5,1-11
  • 2. Timotheus 2,1-9

Nie eine Chance zu bekommen, erfolgreich zu sein, ist eine Tragödie. Aber in gewisser Weise ist es noch schlimmer, eine Chance zu bekommen und dafür nicht bereit zu sein. Das ist der Grund, warum es in fast jeder Geschichte eines großen Helden eine Nervenprobe oder einen Test gibt, die bestanden werden müssen, bevor das Abenteuer beginnen kann.

Das war auch bei Jesus so. Bevor er sein öffentliches Abenteuer beginnen konnte, fühlte Jesus, wie der Heilige Geist ihn weg von den Massen, weg von den Städten und weg vom fruchtbaren Jordantal in die Einsamkeit der rauen, trockenen und kargen judäischen Wüste führte.

Indem das Lukasevangelium davon erzählt, wie Jesus vierzig Tage lang in der Wüste fastete, erinnert es uns an Mose, der vierzig Jahre in der Wüste verbrachte, bis er schließlich Gott im brennenden Dornbusch begegnete und zum Befreier der hebräischen Sklaven werden konnte. Das Lukasevangelium erinnert uns auch an die Geschichte der befreiten hebräischen Sklaven, die nach dem Auszug aus Ägypten vierzig Jahre lang in der Wüste geprüft wurden, bis sie bereit waren, das verheißene Land zu betreten. Wieder einmal stellen die Schreiber der Evangelien Jesus so dar, dass sich die Erfahrungen seiner Vorfahren in ihm spiegeln.

Die Prüfung von Jesus beschreibt Lukas in einer lebhaften Sprache als Begegnung mit dem Teufel. Einige nehmen diese Sprache wörtlich. Andere sehen den Teufel als literarische Figur, die sich im Laufe der Zeit unter alten Geschichtenerzählern entwickelte, um alles zu verkörpern, was dunkel, übel und gewalttätig in der menschlichen Natur und der menschlichen Kultur ist.

„Verwandle diese Steine ​​in Brot“, sagt der Teufel in seiner ersten Versuchung. Mit anderen Worten: Wer braucht schon die Charakterbildung und Selbstbeherrschung, die durch spirituelle Disziplinen wie Fasten entstehen? Das ist ein langer, harter Prozess. Du kannst alles haben, sofort – öffentlichen Einfluss und private Selbstverwöhnung –, wenn du nur deine Wunderkräfte verwendest, um alles zu erwerben, was du dir wünschst! In der zweiten Versuchung wird Jesus die Chance angeboten, die Überholspur zur Macht zu wählen, indem er die selbstsüchtige Macht der sich selbst schenkenden Liebe vorzieht: „Du kannst über alle Königreiche der Welt regieren – wenn du mich nur verehrst!“ In der dritten Versuchung sagt der Teufel zu ihm: „Beweise dich als Gottes geliebtes Kind, indem du dich vom Tempel wirfst!“ Diese scheinbar selbstmörderische Tat, deren Folge durch das Eingreifen von Engeln im letzten Moment vor dem Aufprall verhindert würde, würde genau die Art von Werbung liefern, die Schausteller lieben. Aber Jesus ist kein Schausteller und er sucht sich keine Abkürzungen. Außerdem braucht er nicht zu beweisen, dass er Gottes geliebtes Kind ist. Das weiß er bereits.

So wird er seine Macht nicht zum persönlichen Wohl und Vergnügen missbrauchen. Er wird skrupellose Mittel ablehnen, um gerechte und friedliche Ziele zu erreichen. Er wird nicht zum Spektakel greifen, sondern Substanz bieten. Jesus stellt die Weichen für die großartige Arbeit vor ihm also nicht getrieben von der menschlichen Gier nach Vergnügen, Macht oder Prestige, sondern bevollmächtigt durch den Geist. Und natürlich müssen auch wir uns unseren eigenen inneren Dämonen stellen und die gleiche Bevollmächtigung durch den Geist entdecken, wenn wir beim großen Werk von Jesus mitmachen wollen.

Nach seiner Prüfung kommt Jesus in seine Heimatstadt Nazareth. Und wie jeder gute jüdische Mann geht er am Sabbat in die Synagoge. Bei dieser Versammlung gibt es jeweils einen Moment, wo Männer eine Schriftstelle lesen und diese kommentieren. So steht Jesus an diesem Tag auf und bittet um die Schriftrolle des Propheten Jesaja. Er rollt sie bis zu der Stelle auf, die beschreibt, wie der Geist jemanden salbt, damit er eine gute Nachricht für die Armen bringt, Freisetzung der Gefangenen, Heilung der Blinden und Freiheit für die Unterdrückten verkündigt.

Indem er diese Worte zitiert, weckt Jesus die Hoffnungen seines Volkes – Hoffnungen auf die Zeit, auf die Jesaja und andere Propheten das Volk hingewiesen haben, um darauf zu warten, dafür zu beten und sich dafür vorzubereiten. Dann setzt er sich – die übliche Haltung eines Lehrers zu jener Zeit – und liefert diesen erstaunlichen Kommentar – bemerkenswert wegen seiner Kürze und noch mehr wegen seiner erstaunlichen Behauptung: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.“

Wenn er gesagt hätte: „Eines Tages wird dieses Schriftwort in Erfüllung gehen“, hätte jeder das Gefühl gehabt, es sei eine gute, tröstliche Predigt. Wenn er gesagt hätte: „Dieses Schriftwort ist bereits in gewisser Weise erfüllt, aber noch nicht vollständig“, wäre das auch interessant und akzeptabel gewesen. Aber ein solcher Kommentar hätte die Notwendigkeit einer echten Veränderung im Leben seiner Zuhörer in die Zukunft verschoben. Dass Jesus behauptete, die versprochene Zeit sei schon hier, erfüllt, heute... das war erstaunlich. Das erforderte ein tiefes Überdenken und eine radikale Anpassung seitens seiner Zuhörer.

Das Gleiche gilt für uns heute. Stell’ dir vor, ein Prophet erhebt sich heute in Panama, Sierra Leone oder Sri Lanka. Bei einem Interview auf BBC oder Al Jazeera sagt er: „Jetzt ist die Zeit! Es ist Zeit, den militärisch-industriellen Komplex zu demontieren und uns mit unseren Feinden zu versöhnen! Es ist Zeit, dass CEOs ihre Mammutgehälter drastisch kürzen und großzügige Gehaltserhöhungen an alle tiefstbezahlten Mitarbeiter geben! Es ist Zeit, dass Kriminelle, Milizen, Waffenfabriken und Armeen ihre Kugeln und Kanonen abgeben, damit sie eingeschmolzen und neu zu Trompeten, Schaukeln und Gartenwerkzeugen gegossen werden. Es ist Zeit, mit der Plünderung der Erde zum Zweck eines schnellen Unternehmensgewinns aufzuhören und stattdessen anzufangen, die Erde zu heilen, damit sie langfristig zum Wohl von allen dienen kann. Sag nicht „irgendwann“ oder „morgen“. Es gilt für heute! Stell dir vor, wie die Gastredner im Fernsehen durchdrehen würden!

Das Publikum von Nazareth ist beeindruckt, dass ihr einheimischer Junge so wortgewandt, intelligent und dreist ist. Aber Jesus lässt sie nicht lange einfach nur beeindruckt und dankbar sein. Er erinnert sie sogleich an zwei Geschichten aus der Heiligen Schrift: zunächst an die von einer sidonischen Witwe zur Zeit von Elia und dann an die über einen syrischen General zur Zeit von Elisa. „Gott ging an vielen bedürftigen Menschen unserer Religion und Nation vorbei”, sagt Jesus, „um diesen Ausländern, diesen Heiden, diesen Außenstehenden zu helfen.” Man hört fast das Schnappen nach Luft, als die Menschen durch diese unerwartete Wendung aufgerüttelt werden.

Offensichtlich gilt die gute Nachricht, die dieser Provinzprophet verkündet hat, nicht nur für sie, sondern auch für uns, für die ganze Menschheit und über die Gattung Mensch hinaus. Irgendwie erscheint das den Nazarenern perfid. Es kommt ihnen wie ein Verrat an ihrer einzigartigen und hart erkämpften Identität vor. In nur wenigen Minuten kippt die Stimmung des Publikums von stolz über besorgt und beunruhigt zu wütend. Wut verwandelt die Gemeinde in einen Lynchmob und sie stossen Jesus durch die Tür an den Rand einer Klippe. Sie sind bereit, diesen ketzerischen Verräter umzubringen.

Auch hier, stell dir einen Papst, einen Patriarchen, oder einen berühmten evangelischen Fernsehprediger vor, der heute erklären würde, dass Gott sich den Muslimen, Hindus und Atheisten genauso hingibt wie den Christen. Er würde vermutlich nicht von einer Klippe geworfen. Aber man kann sich die angespannten Gesichter und ernsten Stimmen gut vorstellen, die Forderungen, dass er aus seinem Amt entlassen werde oder ein Fernsehredeverbot bekomme!

Kein Wunder, dass Jesus diese Zeit der Vorbereitung in der Wüste brauchte. Er musste sich seiner Mission klar sein, damit er weder von den Erwartungen treuer Fans gefesselt, noch durch die Androhung wütender Kritiker eingeschüchtert werden konnte. Wenn wir es wagen, Jesus nachzufolgen und die radikalen Dimensionen der guten Nachricht Gottes zu verkünden, wie er es tat, dann werden wir der gleichen doppelten Gefahr ausgesetzt: der Zähmung und der Einschüchterung.

Jesus ist es an jenem Tag gelungen, seiner Hinrichtung auszuweichen. Aber er wusste, dass es nicht seine letzte Auseinandersetzung mit der feindlichen Opposition sein würde. Bald begann er, auserwählte Individuen einzuladen, seine Nachfolger zu werden. Wie bei aufstrebenden Musikern, die von einem Meister-Musiker eingeladen werden, seine Studenten zu werden, war das eine folgenschwere Entscheidung für sie. Nachfolger eines Rabbis zu werden, bedeutete den Einstieg in ein strenges Programm der Veränderung, das Erlernen einer neuen Lebensweise, einer Reihe neuer Werte, einer Reihe neuer Fähigkeiten. Es bedeutete, den Schutz des eigenen Heims hinter sich zu lassen und einer Reihe neuer Gefahren auf der Straße zu begegnen. Sobald sie voll in die Lehre eingetreten waren, wurden sie als Apostel hinaus gesandt, um überall die umstrittene und herausfordernde Botschaft des Rabbiners zu verbreiten. Man stimmte nicht leichtsinnig der Nachfolge zu.

Das Wort Christ ist uns heute besser vertraut als das Wort Nachfolger. Heutzutage scheint der Begriff Christ eher die Art von Menschen zu beschreiben, die Jesus von einer Klippe stossen würden, als solche, die zu seinen wahren Nachfolgern zählen.

Vielleicht wäre es Zeit, die Macht und die Herausforderung dieses älteren, grundlegenden Wortes Nachfolger wieder zu entdecken. Es erscheint über 250mal im Neuen Testament, im Gegensatz zum Wort Christ, das nur dreimal erscheint. Vielleicht will uns diese Statistik etwas sagen.

Lebendig sein im Abenteuer von Jesus bedeutet, diese anspruchsvolle gute Nachricht zu hören, dass jetzt die Zeit ist, und es bedeutet, diese spannende Einladung zu bekommen, ihm zu folgen... und den ersten unerschrockenen Schritt auf dem Weg als Nachfolger zu gehen.

Mach mit

  1. Welcher Gedanke oder welche Idee aus dem heutigen Kapitel hat dich besonders fasziniert, provoziert, gestört, herausgefordert, ermutigt, erwärmt, gewarnt, gestärkt oder überrascht?
  2. Erzähle eine Geschichte von einer Zeit, wo du durch eine Schwierigkeit oder eine Versuchung gegangen bist, die dich für eine spätere Chance vorbereitet hat; oder von einer Zeit, wo du eine Chance verpasst hast, weil du dafür nicht bereit warst.
  3. Wie reagierst du auf die Idee, dass man von den Erwartungen treuer Fans gefesselt oder durch die Drohungen feindlicher Kritiker eingeschüchtert werden kann? Welches ist die größere Gefahr für dich?
  4. Für Kinder: Was gibt es, das du jetzt nicht kannst, aber was du hoffst, eines Tages tun zu können? Was musst du noch lernen, um diese Sache tun zu können?
  5. Werde aktiv: Schreib das Wort Nachfolger diese Woche an prominente Stellen, um dich an die Einladung von Jesus an dich zu erinnern.
  6. Meditiere: Werde still und stell dir vor, dass Jesus deinen Namen ruft und drei Worte sagt: „Folge mir nach!“ Lass es zu, dass diese Einladung eine Resonanz in der tiefsten Stelle deines Seins auslöst.